0041 79 771 59 37 hitzinger@bluewin.ch

Eine Whatsapp-Nachricht.

«Liebe Antoinette, ich habe mir heute ein Herz gefasst und wende mich persönlich an Dich. Es geht um unser Pferd, einen Huzulen, für den wir dringendst einen neuen Platz suchen.»

Seit bald einem Jahr suche sie jetzt und sie wolle nicht, dass er wieder ein «Tour-de-Suisse-Pferd» werde und falls sie niemanden finden, würde sie ihn im Mai zum Schlachter bringen. Aber natürlich wollen sie das nicht – sie hätten viel versucht, sie würden miteinander aber nicht glücklich.

In der Beilage eine Beschreibung des Pferdes mit zwei netten Bildern.

Ich hatte diese Bilder schon mehrmals gesehen, irgendwer hatte sie mir geschickt oder sie tauchten in Gruppen auf. Ich wusste damals nichts damit anzufangen und werde aus der Beschreibung des Pferdes auch jetzt nicht schlau. Er möchte beschäftigt werden, reiten mag er nicht so. Schwierigkeiten werden angedeutet, aber ich kann mir kein schlüssiges Bild machen. Wo liegt denn das Problem?

Ich beschliesse, anzurufen. Was ist los mit dem Burschen? Ich kann wirklich kein weiteres Pferd brauchen, denke ich. Aber man kann ja mal fragen.

Am Telefon erfahre ich dass sie Parys (gesprochen Parisch) vor gut einem Jahr aus Mitleid gekauft hatten als sie auf der Suche nach einem Huzulen waren und in demselben Stall einen netten Wallach gefunden hatten. Parys stand da in einer Box, liess sich kaum anfassen, attackierte Menschen und es wurde erzählt, dass er in den letzten Jahren mehrmals pro Jahr den Besitzer und/oder den Stall gewechselt habe seit er 2016 aus Polen importiert worden war.

Die Familie dachte sich, dass er sich beruhigen würde, wenn man nett mit ihm war, ihn nicht unter Druck setzte und diese Chance wollten sie ihm geben.

Es wurde auch besser – aber nicht gut. Parys blieb unberechenbar. Reiten schätzte er gar nicht, es war auch schon vorgekommen, dass er versuchte, den Reiter an der Bande loszuwerden oder ihn in den Fuss gebissen hat.

So würde er nie zu dem Pferd werden, das sie als Familie sich gewünscht hatten und um ihn einfach so am Leben zu erhalten und für die Familie ein anders Pferd zu suchen, war zu wenig Geld da. Zudem war es ja kein wirklich glückliches Leben. Da war so viel Stress für alle Beteiligten.

Ich höre mich am Telefon sagen: „Ok. ich nehme ihn.“

«Hey Antoinette, spinnst Du jetzt endgültig? Warum das denn?», denke ich im nächsten Moment.

Er ist überhaupt nicht mein Typ Pferd und ich bin eher ein Hasenfuss, was aggressive Pferde angeht. Nix cool und so.

Es gelingt mir, in dem Gespräch links abzubiegen und sowas zu sagen wie: „Ähhh ähhh, ich würde noch mit meiner Familie sprechen und wir kämen, um ihn uns anzusehen.“

Ich klammere mich an den Strohhalm, dass ja noch nichts entschieden ist und die nette Frau sieht das genauso.

So fahren wir am nächsten Wochenende dahin, Erwin, mein lieber Mann und großer Tierfreund, unsere Tochter Lia und ich.

Es erwartetet uns die gesamte Familie inkl. Großeltern. Ich sehe die Tränchen in den Augenwinkeln glitzern. Dieses Pferd ist ihnen wichtig. Aber sie können nicht gemeinsam glücklich werden.

Ich traue mich nicht wirklich an ihn heran, Lia ist da mutiger. Er wird ein bisschen gehandhabt wie ein Raubtier, die Spannung liegt in der Luft. Die Futterschüssel bekommt er hingeschoben und dann heisst es Abstand halten. Wenns ums Fressen geht, kennt er keinen Spaß.

Parys steht so da und sieht äusserlich so gar nicht aufgeregt aus. Er tänzelt nicht, er hat keine aufgerissenen, sondern eher besorgte Augen, aber in ihm scheint es keine Ruhe zu geben. Scharren, Lecken, Gähnen, Leerkauen….

Auf dem Platz läuft er seiner Besitzerin hinterher über alle aufgebauten Hindernisse drüber, schnappt sie allerdings auch einmal in den Rücken – zum Glück hat sie einen schweren Regenmantel an.

Wir werden es versuchen. Parys wird zu uns kommen. Irgendwie mögen wir ihn.

Ich gehe davon aus, dass er, wenn er nicht provoziert wird, auch nicht beisst oder tritt.

Weit gefehlt, aber das ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Genauso wenig ahne ich, dass Parys für mich eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Thema Wut bereithält. Das erkenne ich erst später – rückblickend.

Parys wird also am Tag x mit viel Geduld und einer Futterschüssel verladen und kommt ganz gut an. Ich denke viel darüber nach, wie ich mit ihm einen Kommunikation aufbauen kann, bei der er keinen Grund hat, sich unter Druck zu fühlen. Anfangs traue ich mich kaum in seine Nähe, ich kann ihn nicht einschätzen.

Bald wird klar, dass es so läuft: Er «darf» alles, also zu nahe kommen, schubsen, drohen, ich bzw. wir Menschen «dürfen» nix. Die Versuche, freundlich Abstand zwischen mir und ihm herzustellen sind mühselig. Wenn ich etwas in der Hand halte – einen Rechen, einen Strick, eine Gerte, dann geht es mit überdeutlichem Einsatz desselben in der Luft oder mit auf den Boden klopfen, aber auch da nur, wenn ich es wirklich wirklich ernst meine und nach 2 Sekunden kommt er schon wieder näher.

Parys sucht die Nähe – meine und die jedes anderen Menschen – geradezu zwanghaft. Nicht dass er dort entspannt wäre, aber irgendetwas sucht er da. Mir wird bald klar, dass er innerlich so aufgewühlt ist, dass alles, das ihm dabei helfen könnte, Ordnung und Klarheit oder gar Ruhe in sich zu finden, besser ist, als allein in der Welt hohl zu drehen.

Niemand mag mit ihm zu tun haben

In der Herde findet er keinen rechten Anschluss, die anderen Pferde sind nicht aggressiv ihm gegenüber, aber es will auch keines was mit ihm zu tun haben. Der Typ ist irgendwie unangenehm.

Lieber eine Auseinandersetzung mit einem Menschen oder sonst irgendwas als gar kein Gegenüber. So verloren war er.

Und dann begann er, schwächere Pferde zu verprügeln. Richtig richtig heftig. Und aus dem Nichts. Grundlos.

Da erinnerte er mich zum ersten Mal an meinen Vater. Als Jugendlicher hatte mein Vater das auch getan. Er war einfach auf die Strasse gegangen in Wien, wo er gelebt hat, und hat grundlos den nächstbesten verprügelt.

«Wüüst äne?» (willst Du eine?), habe er sie jeweils angesprochen und bevor sie antworten konnten, hatte er bereits zugeschlagen. Das hat er uns sogar mit einem gewissen Stolz erzählt – immer wieder. Und dass oft dann Menschen an ihrer Tür geläutet haben um sich zu beschweren. Seiner Mutter habe ihn aber immer in Schutz genommen und gesagt: «Er wird schon einen Grund gehabt haben mein Seppl».

Hatte er nicht, ausser dass er sich an jemandem abreagiert hat.

Die Katastrophe

Parys verletzt 2 unserer Stuten so sehr, dass beide heute noch, mehr als 2 Jahre später mit den Folgen dieser Verletzungen zu tun haben.

So geht das nicht. Ich nehme ihn aus der Herde. Reichlich verzweifelt und auch wütend. Ich weiss zwar, dass er im Grunde nicht ganz «zurechnungsfähig» ist in diesen Momenten, aber ich will nicht sein Leben retten, damit er andere Pferde zerstört. Jetzt reicht’s.

Ich nehme ihn an Halfter und Strick und bin wild entschlossen, mit ihm zur anderen Herde zu laufen, ca. 10 Minuten. Ohne losreissen, ohne Theater. Dort – so hoffe ich – gibt es keine alten und schwachen Pferde, mit denen er so umgehen kann und einen Herdenchef, der hoffentlich für Ordnung sorgen würde. Wenn das nicht klappt bin ich mit meinen Möglichkeiten auch am Ende.

Dieser Vorfall macht mir klar. Er dreht hohl, wenn ihm niemand entgegentritt. Er kennt dann keine Grenze. Er zerstört und versteht noch nicht mal, was er da tut. Jemand muss ihm entgegentreten und auch ich muss ihm entgegentreten. Nicht um ihn zu dominieren oder zu irgendetwas zu zwingen, aber um Grenzen klar zu machen. Freundlichkeit und davonlaufen können das nicht. Er braucht Grenzen, um die anderen zu schützen, und er braucht Grenzen, um sich selbst hoffentlich neu zu finden. Ich habe ihn gekauft, ich bin für ihn zuständig, es ist jetzt an mir. Ich muss mich trauen.

Wut macht mir Angst

Der einzige, dem ich gut entgegentreten konnte und kann, auch in der Wut, war mein Sohn Jan. Mit ihm hatte ich das jahrelang geübt, zu ihm durchzudringen, bei ihm zu bleiben, ihn manchmal auch zu halten, bis er sich wieder beruhigen konnte. Aber das war ein Kind, ein schmales Büblein, der mich zudem so sehr liebte, dass er seine Wut kaum je gegen mich gerichtet hat.

Parys ist eine andere Hausnummer. Der macht mich platt wenn er will, nicht wie ein Büblein, das ich mit Muskelkraft festhalten konnte.

Meinem Papa bin ich nie entgegengetreten. Hab alles in mich reingefressen. Ich bin weggelaufen – in mein Zimmer – und hab da geweint. Es wäre auch nicht ratsam gewesen, mich ihm entgegenzustellen. Wer weiss, wozu er dann in seiner Wut imstande gewesen wäre.

Zum Glück gibt es Insley bei uns

Gottseidank ist in der neuen Herde ein Pferd mit grosser Persönlichkeit der Herdenchef. Insley, ein schwarz-weiss gescheckter Mustang, das Pferd unserer Tochter Lia. Selbstbewusst und eigenwillig. Ein Ein-Frau-Pferd. Und bei Parys zeigt er uns anschaulich und eindrücklich, wie er so eine anspruchsvolle Aufgabe löst.

Er nimmt sich Parys zur Brust. Ganz friedlich. Er scheint ihn auch zu mögen. Insley trennt Parys von den anderen und bleibt an Parys Seite mindestens 50 Meter entfernt vom Rest der Herde. Ein bisschen, wie ich das mit Jan gemacht hatte, wenn ich mit ihm in ein anderes Zimmer gegangen war. Aus der Konfliktzone raus und gemeinsam dableiben.

Insley schützt Parys davor, von den anderen herumgejagt zu werden – das sind junge Hengste und Wallache, voll im Saft – und er hindert gleichzeitig Parys daran, sich ein Opfer auszusuchen. Wenn sie zur Heuraufe kommen, müssen die anderen Platz machen. Sie fressen in 2 Schichten sozusagen. Zum Glück ist auch noch Gras auf der Weide.

Es ist anstrengend für Insley

Insley hält das durch, 7 Tage und 6 Nächte, der Abstand zu den anderen wird langsam kleiner. Einzelne kurze Kontaktaufnahmen mit anderen Herdenmitgliedern erlaubt Insley jetzt. Insley ist sichtlich erschöpft von dieser Marathonaufgabe, die dauernde Aufmerksamkeit ist anstrengend. Er gibt Parys nicht nur einen geschützten Raum, er ist auch für und mit ihm da. Stellt sich in seiner ganzen inneren Kraft und Ruhe als sicherer Hafen zur Verfügung. Parys kann sich an ihm orientieren. Sich an ihn anschliessen, an sein gesundes Feld andocken. Pferde sind in hohem Masse dazu fähig, die Befindlichkeit und die Gefühle anderer wahrzunehmen und wie bei uns Menschen wirken diese auf das eigenen System. Stell Dir vor, Du sitzt in einem Raum wo komische Typen sind und dicke Luft herrscht. Dein Körper reagiert auf die drohende Gefahr mit Alarmbereitschaft, ev. Angst, Engegefühl. Umgekehrt kannst Du Dich neben jemandem, der in seiner Mitte ist, der Ruhe und Sicherheit ausstrahlt, leicht entspannen. Genau das war Parys’ Chance an Insleys Seite. Keine Strafe oder Abweisung, sondern Schutz und Aufmerksamkeit aber auch klare Regeln. Du bleibst jetzt mal hier bei mir. Und Du rempelst mich nicht an. So einfach und so karftvoll.

Parys begann Schritt für Schritt mit den anderen Pferden zu kommunizieren und sogar zu spielen.

Insley hat ihn zurück begleitet zu sich selbst und zu den Pferden.

Aber das Menschenproblem war trotzdem noch da. Und so stand ich einem Pferd gegenüber, das ebenso gereizt und unberechenbar war wie mein Vater. Mir war mittlerweile klar geworden, dass ich mich ihm stellen musste. In meiner ganze Grösse und auch mit der Kraft der Wut, die in mir schlummerte. Nicht um ihn zu verprügeln oder zu unterwerfen – abgesehen davon, dass das schon andere erfolglos versucht hatten, wollte ich das natürlich nicht.

Aber um ihn nur schon auf Distanz zu halten und meinen Raum einnehmen zu können, so dass er mich nicht als Spielball seiner Launen im körperlichen Sinn sah, brauchte ich meine ganze Präsenz, Kraft und Intuition und den Mut, ihm entgegenzutreten.

Parys hatte in einer Tierkommunikation gesagt, dass er klare Ja’s oder Nein’s brauche und dass ich mich nicht immer so kontrollieren solle. Er können Menschen nicht ernst nehmen, die «nett tun».

«Ok.», dachte ich, «Freund, das kannst Du dann haben.» Ich begann, mich nicht mehr so zurückzuhalten und weniger kopfgesteuert zu agieren, auch wenn meine Signale dann mal nicht so nett oder sehr deutlich waren. Darauf reagierte Parys zu meinem Erstaunen freundlich und zugewandt. «Ahhh, da spricht jemand zu mir. Du bist das, so fühlst Du Dich also an, wenn Du Du bist?» schien sein aufmerksamer Blick zu sagen.

Ich hatte mein Leben lang nichts sagen und weggehen geübt

Da wurde mir erst bewusst, wie sehr ich das «nichts sagen» geübt und verinnerlicht hatte.

Unsere tägliche Mittagstisch-Szene fiel mir ein:

Papa kommt jeden Tag die 12 km vom Büro nach Hause zum Mittagessen. Um 12:30 hat es auf dem Tisch zu stehen. Um 12:50 geht er zu seinem Mittagsschläfchen. Um 13:10 will er geweckt werden und der Kaffee und die Kekse stehen dann für ihn auf dem Esstisch.

Auch zwischen 12:30 und 12:50 beim Essen gibt es etwas, das täglich gleich ist. Papa fragt mich: «Prüfung gehabt oder Prüfung zurückbekommen?»

Er fragt nie: «Wie geht’s Dir?» oder «Wie war Dein Tag bisher?» oder «Magst Du was erzählen?».

Er fragt: «Prüfung gehabt? Prüfung zurückbekommen?»

Heute antworte ich: «ja eine 5 in Mathe.» (In der Schweiz ist 6 die beste Note und eine 5 bedeutet «gut»).

«No ja. Und was hat der Erwin gehabt? Und der Christoph?»

«Eine 6 wie eigentlich immer.» Erwin und Christoph sind die Klassenbesten. Genies vor allem in Mathe.

«Hm»; Manchmal fragt er dann noch:  «und warum Du nicht?»

Darauf gebe ich keine Antwort. Was soll ich dazu sagen?

Manchmal vermeide ich das Verhör, indem ich lüge. «Nein, keine Prüfungen.».

Ich mag nicht lügen. Lügen hinterlassen einen ekelhaften schalen Geschmack in meinem Mund.

Aber die tägliche Quälerei am Mittagstisch reicht mir schon ohne das Prüfungsverhör.

«Was sind denn das für Chinesenhosen?»

«Geh zum Friseur und gib endlich die Haare aus dem Gesicht.»

Oder einfach: «Wie schaust Du denn aus?»

Dann erzählt er, wer ihn heute im Büro wieder geärgert hat und wie blöd die alle da sind.

Wenn es mir zuviel wird, zu hören, dass ich eine «bleede Gurkn» (blöde Gurke) sei, oder faul und ahnungslos und so weiter,  laufe ich irgendwann davon, schliesse meine Zimmertür hinter mir ab und weine.

«In diesem Hause schreit nur einer und das bin ich.» höre ich noch.

Bei Parys kann ich keine Zimmertür schliessen – wenn wir zueinander finden sollen

Ok, und jetzt steh ich vor Parys, der das so ähnlich sieht. Ich darf alles, aber wehe du nimmst dir was raus, mich zu berühren oder gar wegzuschicken.

Da ist keine Zimmertür, die ich abschliessen könnte und ich lasse mich auf einen langen und langsamen Weg ein.

Parys vertraut mir nicht und ich vertraue ihm nicht.

Meine eigene Wut, die ich in meiner Kindheit und Jugend angesammelt habe, hatte ich im Keller meines Unterbewusstseins eingesperrt. Sie war mir nicht bewusst. Ich wollte niemandem weh tun. Ab und an brach sie trotzdem durch, meine Wut, durch alle meine Sperren. Nicht häufig, aber wenn dann unerwartet und heftig, wie ein Vulkanausbruch. Und ich fühlte mich danach furchtbar, unfähig und hilflos und ich hab mich geschämt dafür.

Das möchte ich nicht und doch weiß ich, dass ich mit meiner Wut in Kontakt kommen muss und werde, wenn ich mich mit Parys beschäftige. Anfangs fürchte ich, dass ein Fehler von mir ihn von mir weg treiben würde. Dem ist aber nicht so.

Er fordert mich heraus in meine Kraft und noch mehr in meine Authentizität zu kommen. Auch wenn ich mich gerade unwohl fühle in seiner Gegenwart. Ich mag weder getreten noch gebissen werden.

Es ist ein aneinander herantasten.

Wir «spielen» das Raumspiel

Spielerisch daran ist nur, dass es nicht so wichtig ist, wie es ausgeht. Es gibt kein gewinnen und verlieren darin. Wir diskutieren um Nähe und Distanz, um Wohlfühldistanz und um ruhiges Atmen.

Meine Aufgabe ist, für mich zu sorgen, damit sorge ich automatisch bestmöglich für ihn.

Meine Aufgabe ist ebenso, immer wieder aus meiner Komfortzone herauszugehen, ihn auch mal näher an mich heranzulassen als da, wo ich mich ganz sicher fühle und das auszuhalten. Atmen. Es passiert nichts Schlimmes. Siehe da. Er will mich gar nicht verspeisen. Und wieder einen Schritt zurückzutreten oder ihn einen Schritt zurückzuschicken, solange es sich noch gut anfühlt.

Mal eine Hand auf seinen Rücken zu legen und zu fühlen, ob es noch auszuhalten ist für ihn. Seine angelegten Ohren nicht gleich als ultimative Bedrohung wahrzunehmen.

Es ist kein Wohlfühlprogramm und es ist immer wieder anders. Ich brauche Kraft, um meinen Raum zu halten. Anfangs kennt er keinerlei Weichen. Er ist regelrecht empört, wenn er einen Schritt zur Seite oder zurück gehen soll, um mir mehr Raum zu geben.

Da brauche ich die Kraft der Entschlossenheit. Und ab und an einen Funken Wut. Das wirkt erstaunlicherweise. Es ist der Funke der mir sagt: Doch ich habe das Recht, hier stehen zu bleiben.

Immerwieder überfordere ich uns auch. Einmal denke ich, wir könnten jetzt wohl schon allein spazieren gehen. Das stresst ihn dann aber so, von seinen neu gewonnenen Freunden wegzugehen, dass ich damit wieder das Losreissen provoziere. Zu viel gewollt. Der Frust ist groß. Denn wenn es einmal wieder aufgetreten ist, dann ist das Muster wieder aktiviert. Scheisse.

Ich bin auch mehr als einmal frustriert, weil wir es so schön und gut hatten zusammen und kaum bringe ich ihn zurück in die Gruppe, giftet er mich wieder an. Bis mir klar wird, dass ihn dann die Nähe der anderen Pferde stresst. Er will jetzt mit mir sein und bekommt das nicht alles zusammen.

Von da an kann ich besser damit umgehen.  

Und ich bemühe mich um einen guten Abschluss schon vorher, so dass ich ihn direkt eine Weile dann allein lasse in der Gruppe um danach nochmals mit einem Leckerli vorbeizukommen.

Ich übe, mich nicht gleich geschlagen zu geben, auch wenn ich Angst vor dieser unberechenbaren Wut habe, die in ihm steckt. Sie wird immer weniger, die Angst. Mit jedem guten Erlebnis. Ihm geht es wohl genauso. Unser gegenseitiges Vertrauen wächst – trotz Rückschlägen – immer weiter.

Heute ist der Umgang mit Parys ziemlich normal und unproblematisch und er entwickelt sich doch tatsächlich zum Schmusepony, das Nähe und Berührung mag. Ich kann mir heute gar nicht mehr vorstellen, Angst vor ihm zu haben. In speziellen Situationen kann mal noch ein Abklatsch des früheren Stresses aufblitzen. Mehr nicht und darauf kann ich reagieren.

Ich habe in der ganzen Zeit bewusst Futterlob eingesetzt, erstens weil ich diesem Thema den Stress nehmen wollte, zweitens weil alle unsere Pferde oft etwas aus der Hand bekommen und warum er dann nicht? und drittens und am wichtigsten weil es der einzige wirkliche positive Verstärker für ihn war. Heute freut er sich auch wenn ich mich freue und das ist sehr berührend. Er ist immer noch meistens der erste, der kommt, er kommt recht zuverlässig auf mein Rufen, aber es nicht mehr diese Bedürftigkeit, diese Not da. Er hat sein eigenes Leben in seiner kleine Herde und wir gehören da dazu, aber es gibt auch viel anderes.

Ich hab diesen Burschen echt lieb gewonnen

Parys ist neben Tari  irgendwie schleichend zu meinem Liebling geworden. Klar sind alle meine Pferde meine Schätze, aber es gibt dennoch in meinem Empfinden Unterschiede. Wenn ich an Parys denke, fühle ich Wärme und Freude. Wir haben noch längst alles erreicht, was ich mir wünsche mit ihm. Es darf noch leichter und feiner und selbstverständlicher werden. Reiten ist noch ein Thema, das wir noch gar nicht bearbeitet haben, da steckt noch einiges fest. Wir hatten genug zu tun in den 2 Jahren, die er nun schon da ist. Und ich habe ihm versprochen, dass sich niemand mehr gegen seinen Willen auf seinen Rücken setzen wird.

Wie komisch, denke ich, dass es in der Reiterwelt so angesagt ist, Probleme rasch zu lösen. Geht das denn wirklich? Nur wenn wir vieles wieder übergehen. Bei einem Pferd wie Parys zumindest, und wie ich immer wieder erfahre, gibt es davon doch einige.

Und: Ich bin nun endlich endlich ganz im Frieden mit meinem Papa und mit unserer gemeinsamen Geschichte.

Falls das Thema Gefühle und Generationenfrieden bei Dir anklingt und Du gerne – mit oder ohne Pferd – dabei weiterkommen möchtest, kannst Du gerne unverbindlich und kostenlos mit mir darüber sprechen – am Telefon. Hier gibt es die Möglichkeit, Dir einen Termin auszusuchen:

Ja, ich möchte mit Antoinette sprechen